1913 – Was war los vor 100 Jahren?
1913 sollte ein Jahr mit vielen Gedenk- und Festtagen werden. Gleich im Januar wurde wie schon üblich Kaisers Geburtstag (27.1.) mit einer Feierstunde für die Schüler begangen, ehe es wenige Wochen später die nächste Unterrichtsunterbrechung gab: „Am 10. März wurde in der Schule die hundertjährige Gedächtnisfeier 1813 abgehalten. Der Festakt begann um 9 Uhr vorm. Am Nachmittag nahm die hiesige Gemeinde an dem Festgottesdienst in der Kirche zu Vehlefanz teil“, notierte Lehrer Reinke kurz und knapp, ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen. In Erinnerung gerufen wurden an jenem Tag sicherlich die sich überschlagenden Ereignisse im März 1813 mit der Kriegserklärung Preußens an Frankreich (17.3.). Der preußische König Friedrich Wilhelm III. hatte damals mit dem Aufruf „An mein Volk“ seine Untertanen aufgefordert, ihn beim Kampf gegen Kaiser Napoleon zu unterstützen, „wenn wir nicht aufhören wollen Preußen und Deutsche zu sein“. Wie dieser Kampf ausgegangen war, das hat Herr Reinke ein gutes halbes Jahr später sehr ausführlich ins Chronikheft geschrieben.
Doch jetzt kamen erst einmal die Osterferien. Am 1. April, dem ersten Tag des neuen Schuljahres, waren von insgesamt 27 Schülern fünf neue dabei. Und schon wieder nahte ein Fest. Am 16. Juni galt es, im geschmückten Klassenzimmer das 25-jährige Regierungsjubiläum des Kaisers zu feiern. Nach Liedern und Gedichten auf Wilhelm II. „hielt der Lehrer (so sprach Herr Reinke von sich selbst) eine Ansprache, in welcher er auf die segensreiche Friedenstätigkeit unseres Kaisers hinwies und die in das Kaiserhoch ausklang.“ Zuletzt fand noch „die Verteilung der Bücher statt, die von dem Herrn Landrat und dem Herrn Ortsschulinspektor übersandt worden waren, um an würdige Schüler als Erinnerungsgabe verschenkt zu werden“. Die Feier war zu Ende und der Rest des Tages schulfrei. Vier Wochen später begannen die Sommerferien, die am 11. August zu Ende gingen.
Am 3. September gestaltete die Schule, auch schon traditionell, die alljährliche Sedansfeier, mit der an die Schlacht von Sedan (deutsch-französischer Krieg 1870) erinnert wurde; morgens um 9 Uhr in der Oberstufe, um halb 11 Uhr in der Unterstufe. Kaum waren dann die Herbstferien zu Ende, nahte der Höhepunkt dieses besonderen Gedenkjahres: Wussten die Schüler ja bereits seit März, was hundert Jahre zuvor fast ganz Mitteleuropa in Atem gehalten hatte, galt es am 18. Oktober, der entscheidenden und größten Schlacht im Kampf gegen Napoleon zu gedenken.
„Der Festakt begann um 9 Uhr vorm. Der Lehrer sprach über „Die Bedeutung der Völkerschlacht bei Leipzig“. Deutschland war durch Napoleon zerrissen und das Volk in zwei Lager geteilt…Von den fremden Befehlshabern wurden dem Volk schwere Lasten auferlegt; auch sonst hatte es unter dem Hochmut der Eroberer schwer zu leiden…Die schwere Niederlage der Franzosen im Winter 1812 in Russland hatte ihren Hochmut zwar etwas gedämpft, nichtsdestoweniger war es für unsere Vorfahren unerträglich…Napoleon zog seine Truppen in Sachsen zusammen und bereitete sich in und um Leipzig auf eine Schlacht mit Preußen und seinen Verbündeten vor. Diese fand am 16.–18. Oktober 1813 statt: sie endete mit einer schweren Niederlage der Franzosen. … Das deutsche Volk entsann sich wieder der Dichterworte: „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr“… Mit Recht errichtet das deutsche Volk zum Gedächtnis jener großen Zeit ein stolzes Denkmal an der Stelle, wo unsere Väter für Deutschlands Ehre so tapfer gekämpft haben. Heute wird dieses Denkmal in Gegenwart unseres Kaisers geweiht.“ (gemeint ist das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, das auch heute, 2013, wieder im Blickpunkt steht)
Die hier in wenigen Zitaten wiedergegebene lange Rede, garniert mit pathetischen Gedichten, entsprach dem Geist der wilhelminischen Zeit und sind ein wertvolles historisches Dokument.
Viel mehr hat Lehrer Reinke für dieses so bedeutende Jahr 1913 leider nicht aufgeschrieben, vielleicht war er nach so viel Gedenken einfach nur erschöpft.
Ulrike Unger
Hallo Frau Unger,
ich bewundere Ihre Arbeit und habe diesen Beitrag über die Schulgeschichte mit Interesse gelesen, denn ich war ja auch einmal Schülerin an dieser Schule. Leider erfährt man erst in höheren Alter die Schulgeschichte. Machen Sie in Ihren Recherchen weiter so, denn es ist doch interessant was früher in Leegebruch geschah.
Sonja Siebert