Rätselhafte Baumkreise
Was es mit den regelmäßig angeordneten Kreisen im Wald zwischen Leegebruch und Bärenklau auf sich hat.
„Weiß jemand, wie diese Kreise zustande kommen?“
Diese Frage vom Oktober 2013 in einem Sozialen Netzwerk war der Beginn einer interessanten zweijährigen Recherche von Mitgliedern des Geschichtsvereins. Außerirdische, Hexenwerk, Bombenkrater, Fundamente, ein angelegter Park der Heinkelwerke – Wie es in einem solchen Netzwerk so ist, waren die Mutmaßungen vielfältig, von total abwegig und sicher nicht ernst gemeint bis hin zu tatsächlich in Frage kommenden Lösungen. Die Lösung des Rätsels ist – wie wir jetzt wissen viel profaner, aber nicht weniger interessant.
Mortzfeldtsche Löcher
Der Wald im Dreieck zwischen Leegebruch, Germendorf und Bärenklau bietet dem interessierten Naturfreund eine Besonderheit. Insbesondere Luftbildaufnahmen offenbaren mehr oder weniger deutlich (je nach Aufnahmetechnik und Jahreszeit) 3×4 regelmäßig angeordnete Kreise, die offenbar eine zur Nachbarschaft unterschiedliche Vegetation aufweist. Insbesondere die Regelmäßigkeit lässt vermuten, dass es sich hier nicht um ein natürliches Phänomen handeln kann. Begibt man sich vor Ort in den Wald, so wird nur das sehr aufmerksame oder geschulte Auge die Besonderheit wahrnehmen.
Die zwölf Rondelle bestehen aus Buchen und Eichen, haben einen Durchmesser von ca. 30 Metern und einen Abstand zueinander von ca. 40 Metern. In der Forstwirtschaft werden sie als „Lochhiebe“ oder – nach dem Erfinder der nachhaltigen Forstwirtschaft – auch Mortzfeldtsche Löcher bezeichnet. Der Oberforstmeister Justus Erdmann Samuel Ulrich Mortzfeldt (*1828 in Ostpreußen, ? Februar 1903 in Berlin) forderte – angesichts einer Holzknappheit seit Jahrhundertbeginn – in der Mitte des 19. Jahrhunderts den ökologischen Waldumbau in Norddeutschland. Die Aufforstung von Öd- und Kahlflächen in großem Stil erfolgte bis dahin nur durch Nadelbäume, weil diese leichter nachzuziehen waren.
Mortzfeldt arbeitete u. a. ab 1849 in der preußischen Lehroberförsterei Eberswalde, ab 1869 als Forstmeister und Inspektionsbeamter im Raum Mohrungen in Ostpreußen und später als Oberforstmeister in Posen sowie in den 1880er Jahren in Königsberg. In der Forstwirtschaft gilt Oberforstmeister Mortzfeldt auch heute noch als Pionier des Waldumbaus.
Die Monokulturen der Nadelbaumwälder waren aber enorm durch Sturmschäden, Waldbrände sowie Insektenbefall gefährdet. Eine Aufforstung mit Laubbäumen wurde daher als notwendig erachtet. Daraus entstand, ab 1860 hauptsächlich in den Kiefernwäldern der Norddeutschen Tiefebene der sogenannte „Mortzfeldtsche Verjüngungsbetrieb“. Diese Lochbestände (Baumrondelle) meistens zwischen 1885 und 1904 angelegt, erfordern besonders wegen des Wildverbisses einen hohen Aufwand in der Pflege der Anlage. Die runde Form wurde gewählt, um die Sturmschäden zu mildern. Durch natürlichen Samenpflug und Waldtiere, besonders durch Eichelhäher und Eichhörnchen sowie Mäuse wurde eine Verbreitung der neuen Baumarten gefördert. Dies führte zu einer positiven Auswirkung auf die Stabilität der Kiefernbestände.
Im Land Brandenburg sind 2761 Lochbestände nachgewiesen. Luftaufnahmen von unserer näheren Umgebung zeigen mehr als 20 solcher Lochhiebe. Allein im Dreieck zwischen Oranienburg, Schmachtenhagen und Lehnitz gibt es in unterschiedlicher Größe vier solcher Anlagen.
Als Baumarten wurden vornehmlich Stiel‑, Trauben‑, Roteiche und Buche eingesetzt. Die diese Lochhiebe umgebenden Baumarten sind Kiefer, Buche, Fichte, Robinie, Europäische Lärche, Douglasie, Sandbirke und Schwarzkiefer.
Im Jagen 3257 – zwischen der derzeitigen Flüchtlingsunterkunft und dem Gewerbegebiet Germendorf – existieren heute noch zwölf Rondelle (Lochhiebe). Jedes Rondell hat in der Mitte eine Rotbuche und außen herum zehn bis zwölf Stieleichen. Laut zuständigem Revier Oberkrämer/Oberförsterei Neuendorf sind diese Mortzfeldtschen Löcher 121 Jahre alt, also im Jahre 1895 angelegt worden. Alle sieben Jahre werden durch die Oberförsterei die Anlagen überprüft und es wird hauptsächlich Totholz entfernt, ansonsten werden die Bestände der Natur überlassen. Die Lochhiebe sind von Kiefern, Birken und Rotbuchen umgeben. Diese Bäume haben ein Alter zwischen acht und 99 Jahren.
Südlich der Straße von Leegebruch nach Bärenklau (Jagen 3246 und 3249), heute kaum noch erkennbar, sind zwei Lochhiebe aus Stieleichen, Rotbuchen, Winterlinde, Hainbuche, und Eberesche angelegt worden. Sie sind umgeben von Beständen der Gemeinen Kiefer.
Nicht zuletzt aus Kostengründen wird diese Form des ökologischen Waldumbaus vom reinen Kiefernwald zum Mischwald seit nunmehr 70 Jahren nicht mehr angewandt.
Reinhard Kaiser & Giso Siebert
Quellen
Quellen:
- Dr. Gernod Bilke: „Waldumbau in Nordostdeutschland durch Eichennachzucht in Mortzfeldtschen Löchern“, Dissertation 2004, Freiburg im Breisgau
- Jens-Ole Timm, Oberförsterei Neuendorf, Baumalterangaben
- Dieter Amey, ehemaliger Revierförster in der damaligen Revierförsterei Wirus, Bärenklau
- Prof. Martin Guericke, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
Hinweise zum Urheberrecht
Die Sache mit dem Urheberrecht
Dem Geschichtsverein liegen weitere historische Luftbilder vor, welche belegen, dass die Anlage der Baumkreise Jahrzehnte zurückreichen muss. Leider liegen uns nicht gesichert und nachweislich die Rechte vor, diese Bilder – auch wenn schon vor Jahrzehnten aufgenommen – im Leegebruch Journal und auf unserer Webseite zu veröffentlichen.
Wir können ebenso nur auf gute Darstellungen im Internet verweisen (Karten-App von Apple, Google-Earth). Obgleich ein Abdruck dieses Bildmaterials ein einfaches wäre, liegen uns hier abschließend nicht die einschlägigen Nutzungsrechte vor. Teure Abmahnungen und Strafzahlungen wollen wir vermeiden.
Analog gilt das auch für Leserinnen und Leser dieses Beitrages. Sehen Sie dringend davon ab, diesen Beitrag ungefragt weiter zu veröffentlichen oder gar in den sozialen Medien zu verbreiten. Sie verletzten damit die Urheberrechte am Text- und Bildmaterial. Sie dürfen die Beiträge und Inhalte der Webseite des Geschichtsvereins und des Leegebruch Journals in den so genannten Sozialen Medien z. B. auf Facebook lediglich verlinken (und teilen) jedoch nicht kopieren. Abgesehen vom juristischen Aspekt: Die Recherche und die Veröffentlichung machen eine Menge Arbeit, der auch Respekt gezollt werden sollte.
Wir fliegen ins All, wissen aber nicht wie der Baum das Wasser von den Wurzeln in die Äste pumpt?
Peter Wohlleben: Das geheime Leben der Bäume. Ludwig Verlag, München 2015
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