Heimatverein Lengerich/Westfalen – Tradition, Brauchtum und Geschichte
Die Anfänge des Lengericher Heimatvereins gehen zurück in das ausgehende 19. Jahrhundert, als durch die Umwälzungen von der Agrar- zur Industriegesellschaft und speziell in Lengerich von einer Ackerbürger- zur Industriestadt bei den Bürgern das Bewusstsein wachgerufen wurde, Altes zu bewahren und Traditionen zu pflegen.
Wie in vielen anderen Städten und Gemeinden war es die Geburtsstunde der Heimatpflege und das Bestreben, Städte und Gemeinden zu verschönern. So wurde als Vorläufer des Heimatvereins 1895 der „Verschönerungsverein in Lengerich“ ins Leben gerufen. Am 24. Januar 1924 erfolgte dann die Gründung des Heimatvereins, der sich ergänzend zum Verschönerungsverein dem gesamten Feld der Heimatpflege widmete.
Nach NS-Zeit und Krieg kam es 1947 anlässlich der 800-Jahr-Feier der urkundlichen Ersterwähnung Lengerichs 1147 zur Wiederbegründung des Heimatvereins, der in seinem Programm bewusst an die Tradition der beiden Vorläufervereine anknüpfte.
Heute setzt sich der Verein mit seinen über 400 Mitgliedern aus zehn Gruppierungen zusammen, die mit ihren Aktivitäten das besondere Markenzeichen des Vereins darstellen.
Die Dia‑, Film- und Videogruppe kümmert sich um die bildliche Dokumentation des Vereinslebens, zu dem die Trachten‑, Brauchtums- und Volkstanzgruppe ebenso wie die Wandergruppe mit ihren Wanderungen und Radwanderfahrten gehört. Auch Blumen- und Gartenfreunde finden sich regelmäßig zusammen. Zudem wird gesungen, in Zusammenarbeit mit drei Grundschulen und dem Gymnasium Plattdeutsch gepflegt und es werden alte Handwerkskünste wie das Spinnen lebendig erhalten.
All diese Aktivitäten sind ein schönes Beispiel dafür, dass der Heimatverein für alle offen ist und sich immer wieder aufs Neue öffnet. So versteht sich die Zusammenarbeit mit Lengericher Schulen und Kindergärten im Sinne des Kontaktes der Generationen und des Miteinanders von Alt und Jung. Durch die Initiative der Volkshochschule Lengerich wurde diese Vernetzung auf ein noch breiteres Fundament gestellt. Auf die große Anerkennung, die das Projekt „Tradition trifft Zukunft“ durch den 1. Preis einer Spendenaktion der Volksbank Tecklenburger Land 2012 erzielt hat, ist der Verein besonders stolz.
Der Heimatverein hat seine besondere Aufgabe stets darin gesehen, Stadtgeschichte zu erforschen und diese bewusst zu machen. Der Arbeitskreis Stadtgeschichte publiziert Dokumentationen und veröffentlicht Artikel zur Stadtgeschichte, und vom Verein als Ganzes werden Beiträge zu den Stadtfesten wie Brunnenfest, Aufstellen des Maibaums, Generationentag, Römermarkt und Krippenmarkt etc. getragen.
Ein besonderer Glücksfall ist das vereinseigene Heimathaus mitten im Stadtzentrum, das ein Besuchermagnet für Gäste aus nah und fern ist und sich zu einem kulturellen Kristallisationspunkt entwickelt hat. Zum Jahreswechsel 2003/04 konnte der Heimatverein das sogenannte Beccardsche Haus an der Bergstraße 10 erwerben und mit großem ehrenamtlichen Engagement zu einer attraktiven Begegnungsstätte ausbauen. Die mehr als zehnjährige Suche nach einem zentral gelegenen Vereinshaus war Geschichte, die räumliche Enge in den zuvor genutzten Räumen am Stadtrand ebenso.
Am 21. Mai 2005 wurde das Beccardsche Haus seiner neuen Bestimmung übergeben. Ursprünglich war es ein Fachwerkgiebelhaus aus dem Jahre 1648, das als Ackerbürgerhaus im Laufe der Jahrhunderte immer wieder den Lebens- und Arbeitsbedingungen angepasst und umgebaut wurde. Anfang des 19. Jahrhunderts erhielt es zur Bergstraße hin eine Steinfassade. Der 1400 Quadratmeter große Garten weist mit Buchsbaumhecken, alten Obstbäumen und Stauden das typische Bild eines Bauerngartens auf. Derzeit wird er mit Elementen eines Erlebnisgartens gestaltet. Dabei ist die Zusammenarbeit mit Schulklassen ins Auge gefasst – denn auch hier gilt das Motto „Tradition trifft Zukunft“.
Dr. Alois Thomes
Vorsitzender des Heimatvereins Lengerich
Dieser Beitrag erschien in der 18. Ausgabe des LEEGEBRUCH JOURNAL im Juni 2013.