Leegebruchs Weg zur Selbstständigkeit, Teil 3: Areal des Vorwerks bis 1923 an Neusiedler vergeben
Teil 3: Eine Dorfgemeinschaft formiert sich
Dort, wo bis zum Ende des Ersten Weltkrieges noch Pferde ausgebildet wurden, sollten nun Familien angesiedelt werden, die aus zuvor deutschen und jetzt zu Polen gehörenden Gebieten vertrieben worden sind. Dazu war das Areal des ehemaligen Remontehofes Leegebruch in kleinere und größere landwirtschaftliche Flächen aufgeteilt worden. Ab 1921 vergab die Siedlungsgesellschaft „Eigene Scholle“ die neuen Siedlerstellen. Die Übergabe des letzten Hofes erfolgte zwei Jahre darauf. Aus Einheimischen und Zugezogenen wurde eine dörfliche Gesellschaft, und die konnte alsbald den neu eröffneten Saal des Dorfkruges für Zusammenkünfte nutzen. Auch die Weihnachtsfeier der Schule fand Heiligabend 1923 erstmals hier statt, wie Lehrer Bernhard Kurzweg in der Schulchronik vermerkte.
Zu einem richtigen Dorf, das Leegebruch nun werden wollte, gehören neben Schule und Gasthaus aber auch Kirche und Vereine. Ab Oktober 1923 wurde „auf Wunsch einzelner Gemeindeglieder allmonatlich ein Gottesdienst am Ort abgehalten“, erfahren wir aus einem Eintrag des Lehrers, und dass dafür der Klassenraum zur Verfügung gestellt wurde. Dieser Punkt war also rasch geklärt.
Doch die Etablierung eines Vereinslebens schien ungleich schwieriger. Für seine Verhältnisse ungewohnt emotional und ausführlich schrieb Lehrer Kurzweg dazu folgendes auf:
„Bald nach Einzug der ersten Siedler 1921 gründete die Jugend einen Geselligkeitsverein Concordia. Durch Mißstimmungen entstand im nächsten Jahre daneben ein Rauchclub. Nach einiger Zeit entschloß man sich aber, den Rauchclub ruhen zu lassen und im Geselligkeitsverein gemeinsam Unterhaltung und Freundschaft zu pflegen. Mehrseitigem Wunsche folgend, wurde im Herbst 1923 ein gemischter Chor gebildet, allerdings nur im Rahmen des Geselligkeitsvereins, um Zersplitterungen zu vermeiden. Dieser kam allwöchentlich einmal im Schulzimmer zusammen, bis er im Februar 1924 nach Veruneinigung der Jugend wieder einschlief. Dieses war hervorgerufen durch die Gründung einer Ortsgruppe des Bismarckbundes im Januar 1924. Nach anfänglichem gütlichen Neben- und Miteinander beider Vereine führten bald persönliche und familiäre Dinge, die hineingetragen wurden, zu häßlichen Auseinandersetzungen und Uneinigkeiten, die die Dorfjugend in 2 Gruppen schieden.“
Im letzten Satz deutet sich übrigens schon die einsetzende Veränderung der politischen Verhältnisse in Deutschland an. In Leegebruch hingegen mussten politische Verhältnisse überhaupt erst einmal geschaffen werden. Die kommunalrechtliche Situation des nach wie vor zum Gutsbezirk Bärenklau gehörenden Dorfes war immer noch nicht geklärt. Zwar wurde hier 1924 zur Reichstagswahl ein eigener Wahlbezirk für inzwischen mehr als 100 Wahlberechtigte eingerichtet. Gewählt wurde statt in Bärenklau nun in der Leegebrucher Schule. Aber das war es erst einmal.
Im Jahr darauf legte die Siedlungsgesellschaft „Eigene Scholle“ die Schlussabrechnung vor und zog sich völlig aus der Siedlung zurück. Von Reaktionen des Gutsbezirks war hier im Gutsteil offensichtlich keine Rede. Man fühlte sich jetzt unabhängig und brauchte dringend eine Verwaltung, denn in welcher Weise sollten zukünftig vor allem die Kommunallasten aufgebracht werden? Eine Regelung der Verhältnisse „konnten auch die höheren Verwaltungsbehörden nicht beschleunigen“, schrieb dazu der Lehrer.
Man dachte über Selbsthilfe nach und fand schließlich eine Lösung. Am 24. Juli 1926 wählten engagierte Leegebrucher eine provisorische Gemeindevertretung, die aus neun Mitgliedern bestand. Jetzt sollte doch eigentlich alles in Ordnung sein, das Dorf war komplett und handlungsfähig. Nur leider war der Landrat damit so gar nicht einverstanden.
Der Kreisausschuss des Kreises Osthavelland in Nauen erklärte die Wahl für ungültig – weil Leegebruch ja immer noch zum Gutsbezirk Bärenklau gehörte. Und der wurde erst später aufgelöst, wie in der nächsten und letzten Folge dieser Serie zu lesen sein wird.
Ulrike Unger
Teil 3,“ Eine Dorfgemeinschaf formiert sich“ war hochinteressant für mich. Obwohl ich gebürtige Leegebrucherin bin, erfahre ich durch den Geschichtsverein immer wieder Dinge, die mir zuvor nicht bekannt waren.
Vielen Dank, macht weiter so!
Gerda Saalmann